BGH: Eigenbedarf auch bei Umbau, Dachgeschoss-Zusammenlegung und anschließendem Wohnungsverkauf möglich (VIII ZR 289/23)
Hintergrund: Vermieter und Mieter im selben Haus
Der Bundesgerichtshof hatte über eine Konstellation zu entscheiden, in der Vermieter und Mieter im selben Wohnhaus wohnen. Der Vermieter bewohnte eine Wohnung im Gebäude, die er zusammen mit dem darüberliegenden Dachgeschoss zu einer größeren Einheit umbauen und anschließend verkaufen wollte. Die vermietete Wohnung war der eigenen Wohnung in Zuschnitt und Größe ähnlich.
Für die Zeit der Umbauarbeiten – und auch dauerhaft danach – wollte der Vermieter in die bisher vermietete Wohnung einziehen und kündigte das Mietverhältnis daher wegen Eigenbedarfs nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Vorinstanzen: Streit um Eigenbedarf oder Verwertungskündigung
Das Amtsgericht gab der Räumungsklage des Vermieters zunächst statt und bejahte einen Eigenbedarf. Das Landgericht Berlin wies die Klage jedoch in der Berufungsinstanz ab. Nach seiner Auffassung lag kein klassischer Eigenbedarf vor:
- Der Vermieter wolle letztlich seine eigene Wohnung nach Umbau besser verwerten und verkaufen.
- Es handele sich um eine wirtschaftliche Verwertungsabsicht, die einer Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB näherkomme.
- Der Wohnbedarf des Vermieters verändere sich nicht wesentlich, da beide Wohnungen ähnlich seien; der Bedarf sei daher (angeblich) nicht schutzwürdig.
Das Landgericht qualifizierte den Vorgang im Kern als wirtschaftlich motivierte Verwertung und verneinte ein berechtigtes Interesse wegen Eigenbedarfs.
Der BGH stellt klar: Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt vor
Der BGH (Urt. v. 24.09.2025 – VIII ZR 289/23) hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Die zentrale Aussage: Die Kündigung ist an den Maßstäben des Eigenbedarfs zu messen – nicht an den strengeren Voraussetzungen der Verwertungskündigung.
1. „Benötigen“ verlangt keine Wohnungsnot
Der BGH betont erneut, dass ein Vermieter eine Wohnung bereits dann „benötigt“ im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wenn sein ernsthafter Wunsch, die Wohnung selbst zu nutzen, auf vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen beruht. Eine Art „Wohnungsnot“ oder Zwangslage ist nicht erforderlich.
Die Gerichte dürfen nicht ihre eigene Vorstellung von angemessenem Wohnen an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters setzen. Der Eigennutzungswunsch ist grundsätzlich zu respektieren, solange er ernsthaft verfolgt wird und nicht rechtsmissbräuchlich erscheint.
2. Eigenbedarf darf auch selbst geschaffen werden
Besonders praxisrelevant ist die Aussage, dass der Vermieter seinen Eigenbedarf selbst schaffen darf. Der Umstand, dass der Vermieter seine bisherige Wohnung umbauen und veräußern möchte, macht den Eigenbedarf an der Mietwohnung nicht unzulässig.
Dass wirtschaftliche Überlegungen – etwa ein späterer Verkauf der ausgebauten Wohnung – eine Rolle spielen, steht dem Eigenbedarf nicht entgegen. Entscheidend bleibt, dass der Entschluss, die Mietwohnung selbst zu beziehen, ernsthaft, vernünftig und nachvollziehbar begründet ist.
3. Keine Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB
Der BGH stellt klar, dass im entschiedenen Fall der Anwendungsbereich des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB (Verwertungskündigung) nicht eröffnet ist. Der Vermieter will nicht die vermietete Wohnung selbst verwerten, sondern eine andere, von ihm bewohnte Einheit nach Umbau verkaufen.
Deshalb ist die Kündigung ausschließlich an § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB (Eigenbedarf) zu messen. Eine „Umgehung“ der Verwertungskündigung verneint der BGH ausdrücklich.
Praktische Konsequenzen für Vermieter
Das Urteil stärkt die Position von Vermietern, insbesondere in Häusern, in denen sie selbst eine Wohnung bewohnen und eine Umstrukturierung oder Umbaumaßnahmen planen.
Wichtige Punkte für die Praxis
- Umbau und Verkauf schließen Eigenbedarf nicht aus: Auch wenn die bisherige Vermieterwohnung nach Umbau verkauft werden soll, kann für eine andere Wohnung im selben Haus wirksam Eigenbedarf geltend gemacht werden.
- Selbst geschaffener Bedarf ist zulässig: Die Entscheidung, durch Umbau und Neuordnung der Wohnsituation einen Bedarf zu schaffen, ist kein Rechtsmissbrauch per se.
- Ähnliche Wohnungsgröße ist unschädlich: Dass die Mietwohnung der bisherigen Vermieterwohnung in Zuschnitt und Größe ähnelt, reicht nicht aus, um den Eigenbedarf abzulehnen.
- Sorgfältige Begründung im Kündigungsschreiben: Umbaupläne, zeitlicher Ablauf und der geplante Umzug in die Mietwohnung sollten im Kündigungsschreiben transparent und nachvollziehbar dargestellt werden.
Auswirkungen für Mieter
Für Mieter bedeutet das Urteil, dass Eigenbedarfskündigungen auch dann wirksam sein können, wenn der Vermieter im Hintergrund eine wirtschaftliche Neuordnung seines Immobilienbestands anstrebt.
- Mieter sollten die Eigenbedarfskündigung gleichwohl anwaltlich prüfen lassen – insbesondere, ob der Bedarf tatsächlich besteht oder nur vorgeschoben ist.
- Bei besonderen persönlichen Härten (Gesundheit, hohes Alter, fehlender Ersatzwohnraum etc.) kommt ein Widerspruch nach § 574 BGB in Betracht.
- Ob der Härteeinwand Erfolg haben kann, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab.
Fazit: Stärkung des Eigenbedarfsrechts – Einzelfallprüfung bleibt wichtig
Der BGH stellt mit dem Urteil vom 24.09.2025 (VIII ZR 289/23) klar, dass Eigenbedarf auch dann vorliegen kann, wenn der Vermieter seine eigene Wohnung umbauen und anschließend verkaufen will und dafür auf eine andere Wohnung im Haus ausweicht. Der Eigennutzungswunsch ist grundsätzlich zu respektieren, solange er auf ernsthaften, vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen beruht.
Gleichzeitig zeigt die Entscheidung, dass Eigenbedarfskündigungen weiterhin einer sorgfältigen Einzelfallprüfung unterliegen. Sowohl Vermieter als auch Mieter sollten frühzeitig fachkundige Beratung in Anspruch nehmen.
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