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BGH: Eigenbedarfskündigung des Vermieters wegen Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit

von Fabian Bagusche

Beabsichtigt der Vermieter die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer (frei-)beruflichen Tätigkeit nachzugehen, wird es für das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Beendigung des Mietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB ausreichen, dass ihm bei verwehrtem Bezug ein beachtenswerter, beziehungsweise anerkennenswerter, Nachteil entstünde.

So entschied der BGH mit seinem Urteil vom 10.04.2024 (VIII ZR 286/22), dass nicht allein dadurch höhere Anforderungen an die Kündigung gestellt werden können, weil diese innerhalb einer Sperrfrist erklärt wurde. Entscheidend bleibt, dass der Vermieter nachvollziehbare und ernsthafte Gründe für seine Kündigung vorbringt, welche sein Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses rechtfertigen.

Sachverhalt

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Mieter bewohnten seit 1977 die streitgegenständliche Wohnung, welche durch den Vermieter im Jahre 2018 erworben wurde. § 2 Ziffer 2 des Mietvertrages von 1982 sah eine Kündigungsfrist von 12 Monaten vor, wenn seit der Überlassung des Wohnraumes zehn Jahre vergangen sind. 2021 erklärte der Vermieter die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses aufgrund von Betriebsbedarf. Mit seiner Klage begehrte der Vermieter die Räumung und Herausgabe der Wohnung. Der Fall ging durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof. Mit der vom Berufungsgericht zugelassene Revision verfolgte der Vermieter sein Räumungsbegehren weiter.

Entscheidung des Gerichts

Die Revision war erfolgreich! Die Sache wurde im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Berufungsgericht hatte die Kündigungen für unwirksam erklärt, da es kein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses sah. Der BGH stellte jedoch fest, dass mit den gegebenen Begründungen ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nicht verneint werden konnte.

Das Berufungsgericht hatte zwar zunächst richtig festgestellt, dass kein klassischer Fall des Eigenbedarfs im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorlag, da die geschäftliche Nutzung der Räume die private Nutzung seitens des Vermieters überwog. Auch handelte es sich nicht um eine Verwertungskündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, da es dem Vermieter nicht allein um den materiellen Wert der Immobilie ging, sondern auch darum seiner freiberuflichen Tätigkeit nachzugehen. Der BGH kritisierte das Berufungsgericht jedoch dafür, dass es einen unberechtigten Maßstab bei der Interessenabwägung herangezogen hatte. Das Berufungsgericht war fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Vorenthaltung der Mietsache für den Vermieter einen gewichtigen Nachteil begründen müsse, da die Kündigung innerhalb der zehnjährigen Sperrfrist gemäß der Vorschrift des § 577a Abs. 1, 2 BGB erklärt worden war.  

Das Bestehen eines berechtigten Interesses war allerdings von den Gerichten aufgrund einer einzelfallbezogenen Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Belange der betroffenen Mietvertragsparteien festzustellen. Der Vermieter hatte nachvollziehbare und vernünftige Gründe darzulegen welche die Ernsthaftigkeit seines Nutzungswunsches glaubhaft erscheinen ließ. Das Interesse musste hierbei ebenso schwer wiegen wie die in § 573 Abs. 1 BGB aufgeführten Kündigungsgründe. Bei dieser Abwägung waren sowohl die Eigentumsrechte des Vermieters als auch das Besitzrecht des Mieters zu berücksichtigen, welche beide durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt waren.

Im zu entscheidenden Fall machte der Vermieter von seinem verfassungsrechtlich geschützten Recht Gebrauch, sein Wohnungseigentum sowohl geschäftlich als auch für seinen persönlichen Lebensmittepunkt zu nutzen. Der BGH betonte, dass dieser Nutzungswunsch sowohl die private als auch die freiberufliche Lebensgestaltung des Vermieters umfasste, was bei der Interessenabwägung entsprechend zu beachten war. Da der Vermieter die Wohnung nicht überwiegend zu Wohnzwecken nutzen wollte, forderte der BGH einen zusätzlichen Gesichtspunkt, der das Erlangungsinteresse des Vermieters untermauerte. Der Entschluss des Vermieters, die Mietwohnung zu Wohnzwecken zu beziehen und zugleich überwiegend einer freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeit nachzugehen, wies eine größere Nähe zum Tatbestand der Eigenbedarfskündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB als zum Tatbestand der Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf. Durch die Nähe zur Eigenbedarfskündigung war es nicht erforderlich, dass dem Vermieter durch die Vorenthaltung der Mieträume ein besonders gewichtiger Nachteil entstünde. In solchen Fällen, ist dem Erlangungsinteresse des Vermieters regelmäßig der Vorzug vor dem Bestandsinteresse des Mieters zu geben, sofern der Nutzungswunsch von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen ist. Bei der Feststellung eines beachtenswerten Nachteils bei Verwehrung der Mieträume hat das Gericht zu berücksichtigen, dass dieser bei einer ernsthaften Lebens- und Berufsplanung regelmäßig gegeben ist.

Auch die fehlerhafte Angabe des Beendigungszeitpunktes führte nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Eine Kündigung ist ein einseitiges Gestaltungsrecht des Vermieters, welches mit dem Zugang beim Mieter wirksam wird und bei Erfüllung der materiellen und formellen Anforderungen das Mietverhältnis entweder sofort oder nach Ablauf der vorgesehenen Kündigungsfrist enden lässt.

Hierbei ist zu beachten, dass die Angabe des Kündigungstermins nicht bei den Vorgaben über Form und Inhalt der Kündigung gemäß § 573 Abs. 3 BGB aufgezählt wird. So war eine Auslegung der Kündigungserklärung gemäß §§ 133, 157 BGB erforderlich. Diese ließ eindeutig erkennen, dass es dem erkennbaren (hypothetischen) Willen des Vermieters entsprach, dass die Kündigung das Mietverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt beenden sollte.

Das vorangegangene Urteil des Berufungsgerichts hatte keinen Bestand und war insoweit aufzuheben.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des BGH stärkt die Rechte von Vermietern die ihre Immobilie sowohl zu Wohn- als auch zu beruflichen Zwecken nutzen möchten. Vermieter können sich auf ein berechtigtes Interesse berufen, wenn ihnen durch die Verweigerung ein beachtenswerter Nachteil entstehen würde.

Für Mieter bedeutet dieses Urteil, dass der sonst so hohe Kündigungsschutz nicht immer uneingeschränkt greift.

Mit dem vorliegenden Urteil wird auch die Bedeutsamkeit der individuellen Abwägung zwischen den Interessen von Vermietern und Mietern hervorgehoben. Sowohl das Eigentumsrecht als auch das Besitzrecht des Mieters sind verfassungsrechtlich geschützt, weshalb ihre Rechte sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen.

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RA Fabian Bagusche
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