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Eigenbedarfskündigung; Kündigungsbeschränkung zu Lasten des Vermieters in einem DDR-Mietvertrag

von Fabian Bagusche

Ein DDR-Formularmietvertrag mit der Regelung „das Mietverhältnis endet durch: a) Vereinbarung der Vertragspartner, b) Kündigung durch den Mieter, c) gerichtliche Aufhebung“, ist nur dann wegen Eigenbedarfs des Vermieters kündbar, wenn dieser nach dem allgemeinen Gesetzesverständnis des § 122 Abs. 1 Satz 1 ZGB-DDR „dringend“ ist. Die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB kann insoweit dahinstehen.

Der Fall vor Gericht

Der Vermieter klagte gegen seinen Mieter auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung in Berlin. Im Mietvertrag von 1990 seinerzeit noch zwischen dem Mieter und dem Volkseigenen Betrieb (VEB) geschlossen, steht, in Ziffer IX.:

„Das Mietverhältnis endet durch: a) Vereinbarung der Vertragspartner, b) Kündigung durch den Mieter, c) gerichtliche Aufhebung“.

Der Vermieter kündigte am 31.7.2020 wegen Eigenbedarfs zum 30.4.2021 und begründete dies damit, dass er seine Lebenshaltungskosten reduzieren und in die Wohnung einziehen möchte. Am 5.4.2022 kündigte der Vermieter erneut wegen Eigenbedarfs und führte an, dass er unabhängig von seinen finanziellen Rahmenbedingungen nicht mehr zur Miete wohnen möchte, sondern in seiner eigenen Wohnung.

Das Amtsgericht Berlin- Mitte gab der Klage statt und verurteilte den Mieter zur Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das Gericht argumentierte, dass Ziffer IX. des Mietvertrages der Kündigung nicht entgegenstehe. Das Gericht war von dem geltend gemachten Eigenbedarf des Klägers überzeugt. Es sah auch keine besondere Härte gemäß § 574 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), da die Wohnungssuche des Mieters sich nicht auf alle Stadtbezirke erstreckte und die vorgelegten Informationen über Wohnungsbewerbungen wenig aussagekräftig waren.

Der Mieter legte Berufung gegen das Urteil ein und rügte, dass das Amtsgericht zu Unrecht angenommen habe, dass Ziffer IX. des Mietvertrags der Kündigung nicht entgegenstehe. Nach Auffassung des Mieters stelle eine Abrede wie in Ziffer IX. des Mietvertrags einen Ausschluss der Kündigung durch die Vermieterseite dar.

Bestandsschutzklausel durch DDR- Mietvertrag wirksam

Mit Erfolg! Nach Auffassung des LG Berlin haben die Eigenbedarfskündigungen das Mietverhältnis nicht beendet. Nach Auffassung des Berufungsgericht stand einer Beendigung wegen Eigenbedarfs die mietvertragliche Regelung in Ziffer IX entgegen. Das Gericht befasste sich bei der Prüfung intensiv mit den formularvertraglichen Regelungen des DDR- Mietvertrages, insbesondere mit dem Passus („Das Mietverhältnis endet durch: … c) gerichtliche Aufhebung“). Auch beschäftigte sich das Gericht mit der Frage, ob vertragliche DDR-Regelungen trotz der Gesetztenänderung weiterhin Anwendung finden können.

Vertragliche Regelungen, die unter der Geltung des ZGB-DDR wirksam vereinbart wurden gehen den Vorschriften des BGB vor

Bei der mietvertraglichen Klausel handelte es sich nach Auffassung des Gerichts gemäß § 566 Abs. 1 BGB um eine für den Vermieter bindende Klausel, die in ihrer Wirkung der einer gesetzesverstärkenden Bestandsschutzklausel entspreche. Dem stand nach Auffassung des Gerichts auch nicht entgegen, dass die in Rede stehende mietvertragliche Klausel unter DDR-Recht vereinbart wurde, denn vertragliche Regelungen, die unter der Geltung des ZGB-DDR (Zivilgesetzbuch DDR) wirksam vereinbart wurden, gehen den Vorschriften des BGB vor, soweit sie nicht gegen zwingendes (Miet-)Recht verstoßen. Hierbei machte sich das LG Berlin die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH zu in DDR-Altverträgen geregelten Kündigungsfristen zu Eigen.

Zwar richten sich gemäß Art. 232 § 2 EGBGB in seiner seit dem 1.5.2004 geltenden Fassung Mietverhältnisse aufgrund von Verträgen, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschlossen worden sind, von diesem Zeitpunkt an nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Allerdings steht Art. 232 § 2 EGBGB der Fortgeltung einer unter Geltung des ZGBDDR getroffenen vertraglichen Regelung über die Beendigung des Mietverhältnisses nicht entgegen, sofern diese Regelung nicht gegen zwingendes Recht verstößt.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis

Eine vertragliche Regelung, die während der Geltung des ZGB (Zivilgesetzbuch der DDR) getroffen und wonach ein Kündigungsausschluss vereinbart wurde, gilt unbeschadet der seither eingetretenen Gesetzesänderung fort. Zwar ist auf die DDR-Mietverträge, die vor dem Beitritt geschlossen wurden, seit dem 3. Oktober 1990 das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) anzuwenden (Artikel 232 § 2 Abs. 1 EGBGB). Allerdings wird hierbei an bestehende Verträge angeknüpft. Daher gehen vertragliche Regelungen, die unter der Geltung des ZGB (Zivilgesetzbuch der DDR) wirksam vereinbart wurden, den Vorschriften des BGB vor, soweit sie nicht gegen zwingendes Recht verstoßen.

Sie sind Mieter und sind von einer Eigenbedarfskündigung betroffen? Sie haben vor 1990 einen DDR-Mietvertrag mit einer Kündigungsausschlussklausel abgeschlossen? Als Anwalt für Mietrecht in Berlin unterstütze ich Sie gerne. Kontaktieren Sie uns unverbindlich und kostenlos.

 

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RA Fabian Bagusche
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