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Erleichterter Härtenachweis für Mieter nach BGH-Entscheidung bei Eigenbedarfskündigung

von Fabian Bagusche

Nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Um einen solchen Härteeinwand hinreichend und substantiiert darzulegen forderten die Gerichte bisher ein ausführliches fachärztliches Attest.

Mit seiner Entscheidung vom 16.04.2025 hat der Bundesgerichtshof bezüglich der Anforderungen an den Härteeinwand von Mietern nach einer Eigenbedarfskündigung klargestellt, dass ein solches fachärztliches Attest zwar einen besonders qualifizierten Nachweis darstelle, dessen Vorlage jedoch nicht zwingend erforderlich sei. So entschied der BGH im vorliegenden Fall, dass auch eine ausführliche Stellungnahme eines medizinisch qualifizierten Behandlers zur hinreichenden Substantiierung genügen kann.

Sachverhalt

Zwischen den streitenden Parteien bestand seit Dezember 2006 ein Mietverhältnis, welches die Vermieterin aufgrund von Eigenbedarf zum 31.Januar 2021 kündigte. Unter Vorlage einer „Stellungnahme über Psychotherapie“ widersprach der Mieter der Kündigung und machte einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 547 BGB geltend. Der daraufhin ergangenen Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gab das Amtsgericht statt und verneinte einen Anspruch des Mieters auf Fortsetzung des Mietverhältnisses nach Maßgabe des § 574 BGB. Das Landgericht führte auf die Berufung der Beklagten in einem Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO aus, dass eine dem Mieter im Falle des Wohnungswechsels drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahr nicht hinreichend konkret dargelegt worden sei und es bereits an der Vorlage eines fachärztlichen Attests fehle. Die Mieter hätten lediglich eine Stellungnahme eingereicht, welche nicht von einem (Fach-)Arzt, sondern von einem „Psychoanalytiker“ erstellt worden sei. Mangels hinreichend konkreten Vortrags zu der behaupteten Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Mieters im Falle eines Wohnungswechsels sei dem Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens daher nicht nachzugehen. Das Landgericht hatte die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgten die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidung des Gerichts

Die vom Senat zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung. Die Revision stimmte dem Berufungsgericht insoweit zu, dass die ausgesprochene Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs begründet war und gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2, § 573c BGB das Vertragsverhältnis mit Ablauf des 31. Januar 2021 beendet hatte. Allerdings beanstandete es die Annahme, dass ein Anspruch des Mieters auf Fortsetzung des Mietverhältnisses nach §§ 574, 574a BGB aufgrund mangelnder Vorlage eines fachärztlichen Attests verneint wurde.

Nach der Rechtsprechung des Senats genügt der Mieter als medizinischer Laie seiner Darlegungsbeziehungsweise Substantiierungslast (auf jeden Fall dann), wenn er unter Vorlage eines (ausführlichen) fachärztlichen Attests geltend macht, ihm sei ein Umzug wegen einer schweren Erkrankung nicht zuzumuten. Auch sei vom Mieter als medizinischer Laie über die Vorlage eines solchen (ausführlichen) fachärztlichen Attests hinaus nicht zu verlangen, noch weitere – meist nur durch einen Gutachter zu liefernde – Angaben zu den gesundheitlichen Folgen, insbesondere zu deren Schwere und zu der Ernsthaftigkeit zu befürchtende gesundheitliche Nachteile zu tätigen.

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hatte der Senat damit nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass für die Erfüllung der Substantiierungspflicht des Mieters stets die Vorlage eines fachärztlichen Attests erforderlich ist. Ein solches gewährleistet zwar eine fachliche Qualifikation der Diagnose in besonderer Weise, jedoch soll eine hinreichende Substantiierung nicht generell von der Vorlage eines fachärztlichen Attests abhängig gemacht werden.

Gemessen an diesen Maßstäben kann im Einzelfall auch eine ausführliche Stellungnahme eines – bezogen auf das geltend gemachte Beschwerdebild – medizinisch qualifizierten Behandlers geeignet sein, den Sachvortrag des Mieters zu untermauern, auch wenn diese nicht von einem Facharzt erstellt worden ist. Dabei kommt es auf die konkreten Umstände, insbesondere den konkreten Inhalt des (ausführlichen) Attests an. Mit diesen Grundsätzen sollen sachgerechte Anforderungen an die Substantiierungspflicht des Mieters gestellt werden. Das Berufungsgericht durfte vorliegend nicht von einer inhaltlichen Würdigung der beiden „Stellungnahmen zur Psychotherapie“ absehen, nur weil es sich nicht um fachärztliche Atteste handelte.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil des Bundesgerichtshofs ist von erheblicher Bedeutung für die Weiterentwicklung des sozialen Mietrechts und schafft eine Entlastung der Mieter in belastenden Lebenssituationen.

Dem Mieter wird die Darlegung eines Härtegrundes im Rahmen der Beweisführung erleichtert. So können Gerichten künftig auch ausführliche Stellungnahmen qualifizierte Behandler als ausreichenden Sachvortrag im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Umstände anerkennen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass ein fachärztliches Attest dennoch das „qualifiziertere“ Beweismittel darstellt.

Dem Mieter kann grundsätzlich jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des Gesundheitsrisikos abverlangt werden. Ist er Mieter daher gehalten, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist ihm regelmäßig auch die Einholung eines entsprechenden Attests ohne Weiteres zumutbar.

 

 

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RA Fabian Bagusche
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