Mehr Infos

Fortsetzung des Mietverhältnisses auf bestimmte Zeit wegen fehlenden Ersatzwohnraums aufgrund Mangellage am Wohnungsmarkt

von Fabian Bagusche

Die Existenz mehrerer gleichzeitig geltender Rechtsverordnungen können als Beweismittel einer tatsächlichen Mangellage auf dem örtlichen Wohnungsmarkt dienen und dem Mieter somit als Härtegrund für eine befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses zugutekommen

So entschied das Landgericht Berlin II mit seinem Urteil vom 25.01.2024 (Az.: 67 S 264/22), dass ein Mietverhältnis auch nach einer wirksamen Eigenbedarfskündigung nach §§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB auf bestimmte Zeit fortgesetzt werden kann, wenn sich der Mieter auf den Härtegrund des fehlenden Ersatzwohnraums beruft.

Sachverhalt

Zwischen den beiden Parteien bestand ein Mietverhältnis, welches seitens der Vermieterin aufgrund von Eigenbedarf gekündigt wurde. Als Gründe für den Eigenbedarf führte die Vermieterin an, dass sie Anteile an einem Restaurant erworben hatte, weshalb sie sich aus beruflichen Gründen dauerhaft in Berlin aufhielt. Der Mieter legte jedoch Widerspruch ein und berief sich auf den Härtegrund des fehlenden Ersatzwohnraums nach § 574 Abs. 2 BGB. Nachdem das Amtsgericht Mitte die Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung abwies, legte die Vermieterin Berufung beim Landgericht Berlin ein.

Entscheidung des Gerichts

Die Berufung war erfolglos! Die Vermieterin hatte gegen den Mieter keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus den §§ 546 Abs. 1, 985 BGB. Die von der Vermieterin ausgesprochene Eigenbedarfskündigung war zwar wirksam, führte jedoch nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses. Das Gericht stellte fest, dass die Kündigung eine unzumutbare Härte für den Mieter bedeuten würde, da kein angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen verfügbar war. So stand dem Mieter ein Anspruch gemäß §§ 574a Abs. 2 Satz 1 BGB, 308a Abs. 1 Satz 1 ZPO auf eine befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses zu.

Härtefallregelung des § 574 Abs. 1, Abs. 2 BGB

Gemäß § 574 Abs. 1, Abs. 2 BGB kann der Mieter der Eigenbedarfskündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter oder eines Angehörigen seines Haushalts eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Diese liegt vor, wenn kein angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen beschafft werden kann. Dabei muss die neue Wohnung den Bedürfnissen des Mieters entsprechen sowie finanziell für ihn tragbar sein. Maßgebend sind die persönlichen und wirtschaftlichen Lebensverhältnisse des Mieters, wobei die Wohnung dem bisherigen Wohnraum nicht vollständig entsprechen muss, da gewisse Einschnitte dem Mieter zuzumuten sind. „Nicht beschaffbar“ ist ein Ersatzwohnraum, wenn trotz intensiver Bemühungen des Mieters die Suche nach geeignetem und bezahlbarem Ersatzwohnraum erfolglos bleibt. Er unterliegt dabei der Obliegenheit, auf sein soziales Umfeld sowie private und öffentliche Unterstützung zurückzugreifen. Die Anforderungen an die Intensität der Suche richten sich danach, was dem Mieter gemessen an seinen individuellen Verhältnissen möglich war. Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen konnte der Mieter nach Auffassungen des Gerichts keinen angemessenen Wohnraumersatz zu zumutbaren Bedingungen beschaffen.

Beurteilung der Mangellage anhand von der Gesetzes- oder Verordnungslage

Bestreitet der Vermieter die Angaben des Mieters wie im vorliegenden Fall, sind die Gerichte berechtigt, den Härtefall dennoch als gegeben anzusehen, wenn die Gesetzes- oder Verordnungslage auf eine Mangellage auf dem örtlichen Wohnungsmarkt hindeutet und der Mieter überzeugend darlegen kann, dass keine realistische Erfolgschance bei der Wohnraumsuche besteht. Auch hier waren die Anforderungen erfüllt. Die Existenz mehrerer gleichzeitig geltender Rechtsverordnungen deutete auf eine Mangellage am gesamten Berliner Wohnungsmarkt hin. Zudem hatte sich der Mieter in den letzten zwei Jahren auf über 244 Wohnungsangebote erfolglos beworben. Diese Bemühungen waren ausreichend, um seiner Pflicht zur ernsthaften Wohnungssuche nachzukommen, da davon auszugehen war, dass eine Erhöhung der Bewerbungsanzahl keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

Bei der Interessenabwägung berücksichtigte das Gericht die drohende Wohnungslosigkeit des Mieters und maß dieser ein erhebliches Gewicht bei. Zwar war auch das Erlangungsinteresse der Vermieterin von Bedeutung, da sie nicht mehr pendeln, sondern stattdessen dauerhaft in ihre Berliner Wohnung einziehen wollte. Jedoch zielte ihr Eigennutzungswunsch hauptsächlich auf die Verbesserung ihrer bisherigen Wohnsituation ab und blieb damit hinter dem Interesse des Mieters zurück. Gemäß § 574a Abs. 2 BGB werden, wenn im Fall von § 574 BGB keine Einigung erzielt wird, die Fortsetzung des Mietverhältnisses, deren Dauer sowie die Bedingungen, zu denen es fortgesetzt wird, durch Urteil bestimmt. Auf der Grundlage einer Prognose entschied das Gericht, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum 31. Januar 2026 angemessen sei, da bis zu diesem Zeitpunkt die erfolgreiche Beschaffung von Ersatzwohnraum für den Mieter als möglich erachtet wurde.

Anpassung der Vertragsbedingungen

Eine Fortsetzung Mietverhältnis war jedoch nur unter einer angemessenen Änderung der Vertragsbedingungen zumutbar, da die bisherige Miete deutlich unter der üblichen Marktmiete lag. So wurde der Nettokaltmietzins gemäß §§ 574a Abs. 2 Satz 1 BGB, 308a Abs. 1 Satz 1 ZPO für die Zukunft auf eine marktübliche Höhe angepasst. Das Mietverhältnis der Parteien wird ohne Weiteres nach Ablauf der Verlängerungszeit mit Ablauf des 31. Januar 2026 enden. Einer erneuten Kündigung seitens der Vermieterin bedarf es nicht.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil des Landgerichts Berlin II betont die Stärkung der Mieterrechte in angespannten Wohnungsmärkten wie in Berlin und zeigt auf, dass Mieter bei einer wirksamen Eigenbedarfskündigung nicht schutzlos dastehen. Mieter sollten sich daher über Ihre Rechte und Pflichten im Falle einer Kündigung informieren und ihre jeweiligen Interessen und Belange nachweisen sowie belegen können. Dabei kann unter anderem auch auf den angespannten Wohnungsmarkt als eventueller Härtegrund zurückgegriffen werden.

Vermieter müssen im Rahmen einer Eigenbedarfskündigung damit rechnen, dass das Gericht selbst bei einem stattgebenden Räumungsurteil gleichwohl  eine befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses anordnen kann, wenn seitens der Mieter nachgewiesen werden kann, dass eine Mangellage herrscht und auch intensive Bemühungen der Wohnraumsuche erfolglos bleiben.

Zurück

Fachanwalt Mietrecht & WEG Recht
RA Fabian Bagusche
Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht
Bagusche & Partner Rechtsanwälte

Erstberatung

Kostenlose Erstberatung in 4 Schritten

Formular ausfüllen und ggf. Unterlagen zum Fall hochladen

Prüfung durch einen Fachanwalt i.d.R. innerhalb von 3 Tagen

Schriftliche oder telefonische Mitteilung des Prüfungsergebnisses durch einen Fachanwalt

Unverbindliches und kostenfreies telefonisches Erstberatungsgespräch mit einem Fachanwalt

Persönliche Daten
Angaben zum Fall
Art der Beratung
Möchten Sie Unterlagen beifügen?
Zulässige Dateien: PDF, Word, Excel, JPG, BNP
Zustimmung AMB & Datenschutz
Alle Angaben korrekt?
Bitte addieren Sie 8 und 9.
BPR - Anwalt Mietrecht Berlin

Bagusche & Partner Rechtsanwälte mbB
Friedrichstr. 171
10117 Berlin

+49 (0) 30 5444 95 99-0

+49 (0) 30 5444 95 99-99

Fortbildungszertifikat der Bundesrechtsanwaltskammer
Schnell Sicher Effizient - Digitale TOP-Kanzlei
Copyright 2025 Bagusche & Partner Rechtsanwälte mbB. Alle Rechte vorbehalten.

Es werden notwendige Cookies und Matomo Analytics geladen. Details finden Sie in unserer Datenschutzerklärung und unserem Impressum.

You are using an outdated browser. The website may not be displayed correctly. Close