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Wenn ein Mietobjekt nach Überlassung an einen Mieter an eine Personengesellschaft veräußert wird, tritt eine Kündigungssperre gem. § 577a Abs. 1a S. 1 Nr.1 Alt. 1 BGB in Kraft. Demnach dürfen die Mieter innerhalb der Sperrfrist nicht gekündigt werden. Eine Ausnahme besteht in dem Fall, dass sämtliche Gesellschafter derselben Familie angehören. Zur Familie zählen laut der Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 19.10.2023, Az. 67 S 119/23, bei enger sozialer Bindung auch entfernte Verwandte (Cousins).
Ausnahme greift auch bei entfernten Verwandten (Cousins)
Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Vermieter kündigte dem Mieter wegen Eigenbedarfs. Die streitbefangene Wohnung sollte an den Cousin des Vermieters und dessen Familie vermietet werden, da diese wegen Nachwuchs eine größere Wohnung benötigen. Der Vermieter begehrt die Räumung und Herausgabe der Wohnung. Dies wies das Amtsgericht Berlin-Mitte jedoch ab. Die GbR erwarb das Mietobjekt von seinen Cousins, also von entfernten Verwandten. Nach der Auffassung des Amtsgericht war die Kündigung unwirksam, da die zehnjährige Sperrfrist des § 577a Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 2 der BlnKSchKlVO noch nicht abgelaufen sei. Diese gilt jedoch ausnahmsweise nicht, wenn die Gesellschafter derselben Familie angehören. Nach Ansicht des Amtsgerichts sei dies bei Cousins gerade nicht der Fall. Der Vermieter legte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgericht ein und begehrte weiterhin die Räumung und Herausgabe der streitbefangenen Wohnräume.
Die Entscheidung des Gerichts
Mit Erfolg! Nach Auffassung des LG Berlin war die Kündigung wirksam. Die Kündigungsbefugnis der klagenden Vermieter war nicht gem. § 577a Ia 1 Nr. 1 BGB i.V.m § 2 BlnKSchKlVO ausgeschlossen. Cousins, die eine enge soziale Bindung haben, gehören nach Ansicht des Landgericht zur Familie. Der Vermieter hat somit Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Anknüpfpunkt: enge soziale Bindung
Nach Auffassung des LG Berlin war die Kündigung als Eigenbedarfskündigung gem. §§ 573 Abs. 1, 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB wirksam, da der Vermieter die Räumlichkeiten für seinen Mitgesellschafter und dessen Familie benötigt. Zunächst stellte das Landgericht heraus, dass eine teilrechtsfähige GbR grundsätzlich Eigenbedarf seiner Mitgesellschafter als Kündigungsgrund anführen kann.
Durch Zeugenaussagen der Ehefrau des Mitgesellschafters konnte sich das Landgericht von dem tatsächlichen Nutzungswillen überzeugen. Die Familie wollte mit ihrem Neugeborenen nun in eine größere Wohnung ziehen, die mehr den Wohnbedürfnissen der Familie entspricht.
Die hier entscheidende Kündigungssperre gilt bei Gesellschaftern derselben Familie ausnahmeweise nicht. Bei der Bestimmung des Begriffs „Familie“ unterschied sich die Auffassung des Landgerichts von der des Amtsgerichts Berlin-Mitte in der ersten Instanz.
Das Landgericht hat aufgrund dessen eine umfangreiche Auslegung des Begriffs „Familie“ i.S.v. § 577a Abs. 1a S. 2 Alt. 1 BGB vorgenommen. Dabei war das Gericht der Auffassung, dass ein Familienbegriff, der Cousins ausschließt, zu streng ist und würde gerade nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechen. Als Anknüpfungspunkt dient die enge soziale Bindung. Außerdem entspricht dies dem weiten mietrechtlichen Verständnis des Begriffs „Familie“.
Eine solche hinreichend enge Beziehung bestand zwischen den Cousins. Gemeinsame wirtschaftliche Unternehmungen, die mit finanziellen Investitionen verbunden sind, stellen dabei ausreichende Anhaltspunkte dar soweit keine gegenteiligen Annahmen entgegenstehen. Diese Anhaltspunkte sind durch die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft sowie den Erwerb der streitgegenständlichen Wohnung gegeben. Somit geht das Landgericht von einer hinreichend engen sozialen Verbindung aus. Andere Anhaltspunkte, wie eine gemeinsame Internatszeit, können aufgrund dessen dahinstehen.
Relevanz für die Praxis
Mit der Entscheidung entspricht das Landgericht der Auffassung des BGH sowie vergangenen Rechtsprechungen zu § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Solange die Mitgesellschafter eine enge soziale Bindung haben, die in den meisten Fällen schon durch die gemeinsame Gründung der GbR vorliegt, gilt die Sperrfrist nicht.