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Werden im Kündigungsschreiben einer Eigenbedarfskündigung werktägliche Nutzungsabsichten angegeben, so reicht die spätere Äußerung der Absicht, die streitgegenständliche Wohnung an zwei bis drei Werktagen pro Woche nutzen zu wollen für die Begründung eines Eigenbedarfs nicht aus. So der Tenor des Berufungsurteils des Landgerichts Berlin vom 22.06.2022 (Az.: 64 S 340/21).
Verbleibende Zweifel an berechtigtem Interesse
In erster Instanz wies das zuständige Amtsgericht die auf Räumung und Herausgabe einer angemieteten Einzimmerwohnung der Klägerin mit der Begründung zurück, die klägerische Eigenbedarfskündigung sei schon aus dem Grund unwirksam gewesen, dass die Klägerin ihr berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses in ihrem Kündigungsschreiben nicht hinreichend im Sinne des § 573 Abs. 3 BGB dargelegt habe. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin – jedoch ohne Erfolg.
Zwar sieht das Berufungsgericht die Ausführungen hinsichtlich des berechtigten Interesses in der streitgegenwärtigen Eigenbedarfskündigung der Klägerin als ausreichend an, im Ergebnis stimmt das Landgericht Berlin jedoch mit dem Gericht der Vorinstanz überein und weist die Berufung als zulässig aber unbegründet zurück und stützt seine Entscheidung dabei insbesondere auf die nicht auszuräumenden Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Eigennutzungspläne.
Nachträgliche Einschränkung des Nutzungsbedarfs lässt Eigenbedarfskündigung scheitern
Das Berufungsgericht betont dabei, dass es keinerlei Zweifel daran hegt, dass die Gesellschafterin der Klägerin die streitgegenständliche Wohnung als Übernachtungsmöglichkeit nutzen will, um eine späte Heimfahrt an langen Arbeitstagen zu vermeiden. Auch erkennt es im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Az.: VIII ZR 19/17) an, dass eine konkrete „Mindestnutzdauer“ nicht zwingend in dem Kündigungsschreiben einer Eigenbedarfskündigung enthalten sein muss. Als verheerend stellt sich jedoch die enorme Diskrepanz zwischen dem Kündigungsschreiben bzw. der Klageschrift und der Zeugenaussagen der Gesellschafterin der Klägerin als Bedarfsperson im späteren Prozess heraus.
So machte die Klägerin zunächst ausdrücklich eine werktägliche Nutzungsabsicht geltend, die es ihrer Gesellschafterin ersparen sollte zur Nachtzeit noch einen zum Teil mehrstündigen Heimweg auf sich zu nehmen. Die fragliche Gesellschafterin selber sagte sodann im Prozess aus, die Wohnung an höchstens drei Werktagen pro Woche nutzen zu wollen, um an langen Arbeitstagen noch vor 22 Uhr zu Hause sein zu können. Die Kammer sieht damit den tatsächlichen Nutzungswunsch mit der im Kündigungsschreiben suggerierten Nutzungsintensität als unvereinbar und damit nicht geeignet an, die Beendigung des Mietverhältnisses zu rechtfertigen.
Praktische Bedeutung der Entscheidung
Es ist damit insgesamt zu konstatieren, dass auch eine formell ordnungsgemäße Eigenbedarfskündigung im Einzelfall nicht zwingend geeignet ist die vorzeitige Beendigung eines Mietverhältnisses zu rechtfertigen. An den geltend zu machenden Eigenbedarf im Sinne des § 573 BGB sind strenge Anforderungen zu stellen, durch welche sich der kündigende Vermieter jedoch nicht zu Übertreibungen hinreißen lassen sollte.
Das hier besprochene Urteil des Landgerichts Berlin zeigt einmal mehr, dass die Gerichte im Falle einer Eigenbedarfskündigung eine detaillierte Prüfung der jeweiligen Nutzungsabsicht vornehmen und einer Klage auf Räumung und Herausgabe nur dann stattgeben, wenn jegliche Zweifel an dem dargestellten Eigennutzungswunsch der betroffenen Bedarfsperson ausgeräumt wurden.