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Umfang des Schadensersatzes bei vorgetäuschtem Eigenbedarf

von Fabian Bagusche

Liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf des Vermieters nur vorgeschoben war, ist es dessen Aufgabe, substantiiert und plausibel darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll.

So entschied das LG Kassel mit seinem Urteil vom 23. November 2023 (Az.: 1 S 222/22), dass ein Vermieter der die Kündigung auf einen vorgetäuschten Eigenbedarf stützte und sich dadurch gegenüber seinen ehemaligen Mietern schadensersatzpflichtig machte. Dabei ist die Kausalität von Schadenspositionen infolge einer Eigenbedarfskündigung auch dann zu bejahen, wenn der Mieter freiwillig auszog, weil er auf die Angaben des Vermieters in der Eigenbedarfskündigung vertraute.

Sachverhalt

Im zu entscheidenden Fall kündigte der Vermieter das Wohnraummietverhältnis zwischen ihm und den Mietern zum 31.12.2019 aufgrund von Eigenbedarf. Da die Mieter eine neue Wohnung fanden, kündigten sie das Mietverhältnis für einen früheren Zeitpunkt zum 01.07.2019. Der Vermieter kündigte den Mietern 15.10.2019 sodann wegen Einstellung der Mietzinszahlungen ab August 2019 fristlos und hilfsweise ordentlich. Nach Auszug der Mieter, stellten diese jedoch fest, dass entgegen des vorgebrachten Eigenbedarfs, die Mutter des Vermieters nicht in die streitgegenständliche Wohnung einzog, sondern diese im Internet inseriert wurde.

Die Mieterin klagte auf Schadensersatz der entstandenen Umzugskosten und legte dar, dass der Vermieter nie beabsichtigt hatte, das Haus seiner Mutter zu überlassen. Der Eigenbedarf sei vorgetäuscht gewesen, um die Mieterin und ihren Ehemann loszuwerden und das Haus neu zu vermieten. Der Vermieter begehrte die Klage abzuweisen mit der Begründung, dass die endgültige Entscheidung, seine Mutter nicht in das Haus einziehen zu lassen, erst aufgrund der Corona-Pandemie getroffen worden sei. Zu der Anzeige vom 23.10.2019 führte er aus, es sei angedacht gewesen, zunächst das Haus zwischen zu vermieten, der Wille zur Eigennutzung habe damals fortbestanden. Das Amtsgericht Kassel gab der Klage der Mieterin statt und sprach ihr einen Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter zu. Zur Begründung führte es aus, dass die Kündigung des Vermieters unberechtigt gewesen sei. Zudem kam er seiner Beweispflicht nur unzureichend nach. Mit dem Berufungsverfahren begehrte der Vermieter das Urteil des AG Kassel aufzuheben.

Entscheidung des Gerichts

Die Berufung des Vermieters wurde zurückgewiesen, da der Mieterin die geltend gemachten Ansprüche gegen den Vermieter, aufgrund einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung, zustanden.

Unberechtigte Eigenbedarfskündigung

Grundsätzlich ist der Mieter darlegungs- und beweisbelastet, wenn er behauptet, dass die Eigenbedarfskündigung lediglich vorgeschoben sei. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach Auszug des Mieters jedoch nicht um oder entfällt der Eigenbedarf schon nach kurzer Zeit, liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben war. Unter diesen Umständen ist es Aufgabe des Vermieters, substantiiert und plausibel darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Der Vortrag des Vermieters genügte den hohen Anforderungen nicht. Da aus seiner Sicht das Mietverhältnis durch die fristlose Kündigung zum 15.10.2019 endete, wäre zu erwarten gewesen, dass konkrete Schritte zur Vorbereitung des Einzugs der Mutter erfolgen würden. Stattdessen hatte er ab dem 23.10.2019 das Haus im Internet zur Anmietung angeboten. Aus der Anzeige ging allerdings nicht hervor, dass es sich um eine Zwischenvermietung handeln sollte. Die Begründung, dass der Eigenbedarf wegen der Corona-Pandemie nicht weiterverfolgt werden konnte, hielt das LG Kassel für unzureichend. So gehörte die Mutter zur erhöhten Risikogruppe, sodass die Gefahr einer Infektion in einem Einfamilienhaus erheblich geringer gewesen wäre.

Kausalität der Schadensposition

Sodann war zu klären, welche Schadenspositionen die Mieter geltend machen konnten. Diese müssten kausal auf die Pflichtverletzung des Vermieters - die unberechtigte Eigenbedarfskündigung zurückzuführen sein. Kausalität ist auch dann zu bejahen, wenn der Mieter freiwillig auszieht, weil er auf die Angaben des Vermieters vertraute.

Das Berufungsgericht bestätigte die Ausführungen des Amtsgerichts, dass die Mieter ausschließlich wegen der Kündigung ausgezogen seien und nicht, um sich in irgendeiner Weise zu verbessern. Die Behauptungen des Vermieters, der Kausalitätsnachweis sei nicht erbracht, weil die Mieter aufgrund der angeblichen Mietrückständen basierenden fristlose Kündigung ausgezogen seien, wurden vom Gericht zurückgewiesen. Die Kündigung vom 15.10.2019 hatte keine Auswirkungen auf den Kausalzusammenhang, da das Mietverhältnis bereits aufgrund der Kündigung seitens der Mieter vom 02.05.2019 zum 31.7.2019 beendet war.

Entscheidend ist in solchen Fällen stets, dass der Mieter den Besitz an der Wohnung deshalb aufgibt, weil er von der Richtigkeit der Erklärungen des Vermieters überzeugt ist. Eine derart motivierte Besitzaufgabe liegt auch dann vor, wenn ein Mieter sich zur Besitzaufgabe entschließt, ohne die Ernsthaftigkeit des Nutzungswunsches des Vermieters zu überprüfen. Es genügt, dass für ihn kein Anlass bestand, den Angaben des Vermieters zu misstrauen. Die Kausalität war also weder durch die Kündigung noch durch den früheren Auszug der Mieter unterbrochen, da nichts dafür ersichtlich war, dass die Mieterin und ihr Ehemann auch ohne die Eigenbedarfskündigung ausgezogen wären. Vielmehr war die Eigenbedarfskündigung Anlass für den „freiwilligen“ Umzug, welcher unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien eine naheliegende Reaktion darstellte.

Die Mieterin konnte die Umzugskosten, die Mietdifferenzkosten und als provozierte Aufwendungen auch Kosten für die Suche nach einem neuen Mietobjekt, als eigene Arbeitszeit geltend machen.

Auch die Anschaffungskosten für übernommenes und neu angeschafftes Mobiliar gehörten hier zum ersatzfähigen Schaden, soweit diese Anschaffungen deshalb erforderlich waren, weil die in den alten Räumlichkeiten vorhandenen Gegenstände in die neuen Räume nicht hineinpassten.

Bedeutung für die Praxis

Für Mieter bedeutet das Urteil, dass sie bei Zustellung einer Eigenbedarfskündigung immer prüfen sollten, ob ein Eigenbedarf auch tatsächlich besteht.

Gibt es keine Anzeichen für einen vorgetäuschten Eigenbedarf zieht man aufgrund der Kündigung aus, kann es sich dennoch lohnen nachzuprüfen, ob der Selbstnutzungswille auch tatsächlich umgesetzt wurde. Hier können eine schnelle Neuvermietung oder ein Inserat Indizien für einen vorgetäuschten Eigenbedarf sein.

Die entstandenen Kosten bei einem Umzug sollten also sorgfältig dokumentiert werden, sodass diese im Fall einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung geltend gemacht werden können.

Vermieter müssen bei einer Eigenbedarfskündigung sorgfältig und vor allem wahrheitsgemäß vorgehen. Andernfalls setzen sie sich einem erheblichen Schadensersatzrisiko aus. Im Streitfall kann es dazu kommen, dass der Vermieter in der Beweispflicht ist, den Eigenbedarf plausibel und substantiiert darzulegen beziehungsweise den Entfall zu begründen. Dabei genügen pauschale und unschlüssige Argumente nicht aus.

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RA Fabian Bagusche
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